Irgendwann kam sie dann doch noch, die vom aktuellen Zeitgeschehen geradezu geforderte Frage einer Schülerin nach dem möglichen Beitrag der jeweiligen Religion zum Friedensprozess in Palästina. Und obwohl die drei Vertreter/innen der abrahamischen Religionen, die beim 15. Trialogischen Religionsgespräch an der AES seit 2010 dabei waren, zunächst herausstellten, sie sprächen heute als Religionsvertreter/innen und könnten nicht zu politischen Verstrickungen Stellung nehmen, gab es dann doch einiges zum Themenblock „friedliches Miteinander“ zu hören, was für die 180 Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse der AES vielfach neu und bemerkenswert war. So betonte etwa Andreas Heidrich, evangelischer Pfarrer in Bad Soden, dass Christen in bestimmten Extremsituationen durch das Beispiel Jesu Christi unbedingt aufgefordert seien, Partei zu ergreifen. Als Beispiel nannte er Dietrich Bonhoeffer und die Unterstützung einer angegriffenen Nation wie der Ukraine.

 

Nicht minder aktuell fiel eine Stellungnahme von Petra Kunik, Mitglied im „Egalitären Minjan“ der Frankfurter Jüdischen Gemeinde, aus: Die Rückgabe der verstorbenen, in den Händen der Hamas befindlichen Geiseln sei für Menschen jüdischen Glaubens deshalb so wichtig, damit diese auf einem jüdischen Friedhof und jüdischem Boden die Möglichkeit der Auferstehung haben könnten, wenn sich dereinst die Erwartung nach Wiederkunft des Messias erfüllen werde.

Senay Altintas, die dritte Religionsvertreterin und Öffentlichkeitsbeauftragte der Emir-Sultan-Moschee in Darmstadt, stellte heraus, dass auch nach dem Koran ein Frieden immer besser für alle sei als der Kriegszustand. Es habe immer auch leuchtende Friedensvorbilder gegeben, auch außerhalb der abrahamischen Religionen, so z. B. Mahatma Gandhi.

Moderiert wurde die wegen der großen Jahrgangsanzahl traditionell zweigeteilte Veranstaltung in diesem Jahr von vier Schülerinnen: Julia Wintrich, Arina Akimenko, Aurelia Aurena und Carolina Schmitt griffen die Fragen ihrer Mitschüler/innen auf und leiteten das Auditorium durch verschiedene Themenbereiche.

 

 

Foto (Kb): Die drei Religionsvertreter/innen mit Julia Wintrich und Arina Akimenko (beide 10C)

 

Wie in jedem Jahr, so kam auch 2025 die Frage nach dem Umgang der Religionen mit Menschen auf, die sich der LGBTQ-Community zugehörig fühlten. Petra Kunik antwortete mit einem sinngemäßen Zitat, das sie vor Jahren einmal in einer Stellungnahme zur Frage, was eigentlich „Familie“ sei, mitentwickelt hatte: „Alles, was in Liebe zu- und füreinander geschieht, ist gottgewollt und gesegnet, und alle Paare, die die Verantwortung für Familie in Liebe übernehmen, sind gottgewollt.“

Schwieriger zu akzeptieren war für die Schüler/innen die Position von Frau Altintas durch die Zehntklässler/innen: Allah sei der Herr, der Mensch folge; Allah gebe die Spielregeln nach muslimischem Verständnis vor, auch wenn diese für viele Menschen eine Prüfung sein könnten. Partnerschaft und Sexualität seien nach islamischem Verständnis ausschließlich zwischen Mann und Frau und nur in der Ehe akzeptiert.

So entwickelte sich in beiden Zeitblöcken ein munteres Gespräch, und nach etwa der Hälfte der Zeit trauten sich auch mehr und mehr Schüler/innen zu, spontan eigene Fragen zu äußern.

Die Breite der Themenfelder ging vom Absolutheitsanspruch der Religionen über selbst erfahrene Diskriminierungen oder Beleidigungen (Petra Kunik: „Seit dem Hamas-Anschlag am 7. Oktober 2023 und der israelischen Reaktion darauf erfahre ich viele ekelhafte Anfeindungen, hauptsächlich über das Internet“), Kleidungsvorschriften (Senay Altintas: „Im Koran wird betont, dass Zwang und Druck, wie das Tragen eines Kopftuchs, kein Mittel von Religion sein dürfe").

Auch die Auffassung von der eigenen heiligen Schrift wurde thematisiert (Andreas Heidrich: „Die Bibel gilt als von Menschen geschrieben und vom Heiligen Geist bewegt entstanden; wie man schwierige Stellen deutet, ist immer eine grundsätzliche Auslegungsentscheidung“). Schließlich traute man sich zu, auch persönliche Fragen nach einem etwaigen Bekehrungserlebnis der Diskutanten zu stellen. Fast sentenzartig fielen hier die Bekenntnisse aus: „Ein Atheist hat mich mit 19 Jahren zum aktiven Praktizieren meines vorhandenen Glaubens an Allah gebracht“, so Altintas, und: „Das Judentum ist für mich Identität, die ich nicht einfach wechseln kann“, formulierte Petra Kunik.

Wie groß und intrinsisch das Interesse vieler Zehntklässler/innen war, zeigte sich darin, dass v. a. Senay Altintas nach der Veranstaltung geradezu umlagert wurde von Schüler/innen, die ihr noch tiefergehende Fragen stellen wollte, da sie während der 90 Minuten nicht zum Zuge gekommen waren.

Ein großer Dank der Schulgemeinde ergeht an die finanziellen und ideellen Unterstützer dieser Veranstaltung, die Organisator und Fachbereichsleiter Jochen Kilb in seinen einleitenden Worten erwähnte: allen voran an das Abrahamische Forum in Darmstadt, das Bundesinnenministerium, die Dr.-Buhmann-Stiftung, die Stadt Schwaslbach sowie die Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit (CJZ) im Main-Taunus-Kreis.

 

Jochen Kilb - Foto: Kb

 

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